Erkenntnisse der Sportwisenschaften für Übungen

Zum ersten Mal präsentiert beim Akkordeon Symposium 2013 in Neu-Isenburg (D), bis April 2014 erweitert, insbesondere um die neuen Erkenntnisse der differenziellen Methode.
Hier die relevanten Zitate aus der sportwissenschaftlichen Fachliteratur. Diese Erkenntnisse sollen unter anderem Grundlage sein für Übungsstücke für Akkordeon für Mittel- und Oberstufe. Sie betreffen auch allgemeine Aspekte der Bereiche Unterricht, Üben und Lernen.

Bewegungslernen

Motorisches Lernen ist kein stetiger Prozeß, bei dem anhand eines Leistungsmaßes ein ununterbrochener Anstieg festzustellen ist, vielmehr ist das Auftreten deutlich abgrenzbarer unterschiedlicher Stadien, die eine eigenständig Qualität aufweisen, nachweisbar und typisch. Anfänglich kommt es recht schnell zu sichtbaren Fortschritten, wenn die Aufgabe nicht zu komplex ist. Später verlangsamen sich die Zuwachsraten in der Leistung, es kann zeitweise zu Stagnation und Rückschritten trotz hoher Übungsumfänge kommen. Im Endbereich nähert sich die Leistungskurve allmählich einem Maximum an, welches nur durch erhöhte Übungs- und Trainingsumfänge oder veränderte Lernstrategien hinauszuschieben ist.
Volker Scheid / Robert Prohl: Bewegungslehre. Wiesbaden 2007, 55f

Im Endbereich nähert sich die Leistungskurve allmählich einem Maximum an, welches nur durch erhöhte Übungs- und Trainingsumfänge oder veränderte Lernstrategien hinauszuschieben ist.
Volker Scheid / Robert Prohl: Bewegungslehre. Wiesbaden 2007

Aufwärmeffekt (geringere Leistung unmittelbar nach der Pause), Reminiszenz (höhere Leistung durch Pausen nach dem Aufwärmeffekt)
Volker Scheid / Robert Prohl: Bewegungslehre. Wiesbaden 2007

Behalten: Der Positionseffekt beschreibt geringere bei dem ersten und letzten Bewegungsteil (Primacy- und Recency-Effekt) und größere Fehler beziehungsweise geringere Behaltensleistung in den mittleren Bewegungsteilen.
Heinz Mechling / Jörn Munzert (Hg): Handbuch Bewegungswissenschaft - Bewegungslehre. Schorndorf 2003

Behaltensstrategien: Die Bedeutung der Bewegung, Selbstbestimmung, Wiederholungen, Intention und Motivation, Selbstbestimmung der Übeorganisation
Heinz Mechling / Jörn Munzert (Hg): Handbuch Bewegungswissenschaft - Bewegungslehre. Schorndorf 2003

Ab einem bestimmten Leistungsniveau scheint die Variabilität der Teile wieder zunehmend funktionelle Bedeutung für die Stabilität des Bewegungsresultats zu gewinnen
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Bei der Vorstellung des Einschleifens ist nicht geklärt, ob die Zahl der Wiederholungen oder die entstehende Streuungsbreite den Lernerfolg begründen. Weltklasse Athleten zeigen individuelle Streuungsbreite im Bewegungsvollzug.
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Ein wenig geübter Sportler ist meist nicht in der Lage, eine sprachliche Darstellung der Bewegungswahrnehmungen zu geben, vor allem dann, wenn nur unzureichende visuelle Informationen vorliegen. ... Der geübte Sportler allerdings nimmt seine Bewegungen auch in Einzelheiten wahr und kann sie sprachlich darstellen.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Aus der Rolle des verbalen Systems für die Handlungsregulation, für ihren Aufbau, ihre Korrektur und ihre weitere Vervollkommnung, in Sonderheit für die Entwicklung der Bewegungsvorstellungen, ergibt sich die Forderung einer systematischen Arbeit mit Sprache.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Erste Lernphase: Der Lernende muß, wenn er die Aufgabe verstanden hat, sofort zu praktischen Versuchen, zum Üben des Bewegungsablaufes geführt werden. Nur in Verbindung mit den eigenen motorischen Erfahrungen des Lernenden beim Üben der neuen Bewegung werden weitere verbale Informationen durch den Lehrenden und darüber hinaus auch weiter Demonstrationen wirksam, um die Bewegungsvorstellung zu konkretisieren.
Die zweite Lernphaseumfaßt den Lernverlauf vom Erreichen des Stadiums der Grobkoordination bis zu einem Stadium, in dem der Lernende die Bewegung annähernd fehlerfrei ausführen kann. (auch zeitweise Stagnation und Rückschläge)
Die dritte Lernphase umfaßt den Lernverlauf vom Erreichen des Stadiums der Feinkoordination bis zum Stadium der variablen Verfügbarkeit. … Der weitere Lernfortschritt wird erreicht, indem die erlernte Bewegung systematisch unter sportartspezifisch variierten Bedingungen bzw. Anforderungen geübt und angewendet wird.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Aus den Neurowissenschaften wissen wir, daß Informationen erst dauerhaft im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden, wenn wir sie mit vielfältigen Strategien, kontextbezogen und mit einer gewissen Verarbeitungstiefe üben. Dem Erproben von Bewegungsabläufen durch Versuch und Irrtum stehen die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse nicht entgegen, im Gegenteil: in der Entdeckungsphase des Übens sollte das Werk frei, experimentierend und vielfältig durchdrungen werden. Auch neuere Studien zeigen, daß viel effektiver gelernt wird, wenn Fehler beim Lernen zugelassen werden.
Silke Kruse-Weber; Fallbeispiele. Zum Umgang mit Fehlern beim Instrumental- und Gesangsunterricht, beim Üben und Auftreten. in: dies. (Hg.): Exzellenz durch differenzierten Umgang mit Fehlern. Kreative Potenziale beim Musizieren und Unterrichten. Schott, Mainz 2012

For years, many educators have championed “errorless learning," advising teachers (and students) to create study conditions that do not permit errors. ... The idea embedded in this approach is that if students make errors, they will learn the errors and be prevented (or slowed) in learning the correct information. But research by Nate Kornell, Matthew Hays and Robert Bjork at U.C.L.A. that recently appeared in the Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory and Cognition reveals that this worry is misplaced. In fact, they found, learning becomes better if conditions are arranged so that students make errors. People remember things better, longer, if they are given very challenging tests on the material, tests at which they are bound to fail.
Henry L. Roediger and Bridgid Finn: Getting It Wrong: Surprising Tips on How to Learn. Scientificamerican 20.10.2009, www.scientificamerican.com/article.cfm?id=getting-it-wrong

Allgemeine Koordinationsfähigkeit

Koordination heißt, eine Bewegung schnell, zielgerichtet, ökonomisch mit geringstem Aufwand, präzise und harmonisch durchzuführen. lateinisch „cum ordo“ bedeutet „mit Ordnung“
Klaus Engelke / Michael Hlatky: Bewegung beginnt im Kopf : Koordination macht's perfekt. Wien 2007

Eine breite und intensive Bewegungserfahrung über viele Bewegungsformen und Sportarten ist unerläßlich Voraussetzung für höhere Leistungen in einer Sportart
Herrmann Rieder / Klaus Lehnertz: Bewegungslernen und Techniktraining. Schorndorf 1991

Die frühzeitige Förderung und intensive Schulung aller koordinativen Fähigkeiten ist ein Hauptinhalt des Kinder- und Jugendtrainings
Herrmann Rieder / Klaus Lehnertz: Bewegungslernen und Techniktraining. Schorndorf 1991

Jede einzelne Muskelkontraktion wirkt sich auf die Koordination der Gesamtbewegung des Körpers aus.
August Neumaier: Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Köln 2001

Sieben Koordinative Fähigkeiten nach dem Arbeitsmodell Leipziger Koordinationsforscher: Differenzierungsfähigkeit, Kopplungsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit, Orientierungsfähigkeit, Gleichgewichtsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit, Rhythmisierungsfähigkeit
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Das methodische Grundprinzip für das Koordinationstraining ist die Variation.
August Neumaier: Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Köln 2001

Kopplungsfähigkeit: Klassifikation der Armbewegungen nach ihrer Koordinationsschwierigkeit: symmetrische Bewegungen, Überkreuzbewegungen, Folgebewegungen, Bewegung beider Arme in verschiedenen Ebenen, asynchrone Bewegungen
Nazarov in Farfel: Bewegungssteuerung im Sport. Berlin 1983

Ein Transfereffekt von allgemeinen koordinativen Fähigkeiten auf den Erwerb spezieller sportmotorischer Fertigkeiten konnte experimentell nachgewiesen werden.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Das Prinzip der Altersgemäßheit beinhaltet des weiteren auch das Ausnützen der "sensiblen Phasen". Vor allem in technischen, koordinativ anspruchsvollen Sportarten (Eiskunstlauf, Geräteturnen) lassen sich entsprechende Versäumnisse kaum mehr ausgleichen.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Die Erweiterung des Bewegungsschatzes und die Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten stehen im gesamten frühen und späten Schulkindalter im Zentrum der sportlichen Ausbildung
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Die koordinativen Fähigkeiten sind von den Fertigkeiten zu unterscheiden: Während die Fertigkeiten auf verfestigte, teilweise automatisierte konkrete Bewegungshandlungen zu beziehen sind, stellen die koordinativen Fähigkeiten verfestigte, jedoch verallgemeinerte, d.h. für eine ganze Reihe von Bewegungshandlungen grundlegende, Leistungsvoraussetzungen des Menschen dar.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Methodische Maßnahmen zur Schulung koordinativer Fähigkeiten: Variation der Bewegungsausführung, Veränderung der äußeren Bedingungen, Kombinieren von Bewegungsfertigkeiten, Üben unter Zeitdruck, Variation der Informationsaufnahme, Üben nach Vorbelastung
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Im Gegensatz zu den anderen motorischen Hauptbeanspruchungsformen … sind die koordinativen Fähigkeiten vorrangig komplex zu verbessern. … nur über das Prinzip der ständigen Variation und Kombination der Übungsmethoden und -inhalte zu erreichen.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Kontralateraler Transfer: Beidseitiges Üben beschleunigt nicht nur den Lernprozeß, sondern führt auch zu einer besseren Bewegungsqualität. … Dabei ist zu beachten, daß eine sequentielle (relativ massierte) Reihenfolge (z.B. rechts, rechts, rechts, rechts, links, links, links, links) günstiger ist als ein ständiges Alternieren. … Kontralaterale Übertragungen sind besonders bei niedrigem Leistungsniveau relativ hoch.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Kinästhetik

Unterscheidung zwischen Propriozeption (das Gesamt der dem Subjekt unbewußten Tätigkeiten der Propriozeptoren), Sensorik (das Gesamt der dem Subjekt unbewußten Tätigkeiten des sensorischen (afferenten) Nervensystems) und Kinästhetik (das Gesamt der vom Subjekt durch aktive, bewußte, intentionale und zielgerichtete Aufmerksamkeitslenkung bewußt wahrgenommenen propriozeptiven und sensorischen Tätigkeiten)
Joachim Th. Geiger: Körperbewußtsein und Instrumentalpraxis. Augsburg 1996

Unter Psychomotorik werden sämtliche Bewegungsmerkmale und -eigenschaften subsumiert, die über die bloße Funktionalität von Spielbewegungen hinausgehend eine spezifisch ausgeprägte Qualität besitzen, in der sich das emotional bestimmte, individuell unterschiedliche Bewegungs- und Ausdrucksverhalten eines Instrumentalisten manifestiert.
Joachim Th. Geiger: Körperbewußtsein und Instrumentalpraxis. Augsburg 1996

Psychomotorische Prozesse in Form der emotionalen Bewegungsfärbung vollziehen sich oft unbewußt; die Bewegungsabläufe sind also nicht immer unmittelbar im Bewußtsein repräsentiert, da sie vom Spieler gefühlsmäßig erlebt werden. … Das Erleben von Bewegungsqualitäten ist zu einem großen Teil in mehr oder weniger diffuse gefühlsartige Strukturen eingehüllt oder es liegen ungefühlte Befindlichkeiten vor. In manchen erhellenden Momenten werden Bewegungsqualitäten auch bewußt erlebt.
Joachim Th. Geiger: Körperbewußtsein und Instrumentalpraxis. Augsburg 1996

Motorische Lernen geht immer auch mit Veränderungen im sensorischen Bereich einher: Wahrnehmungsschwelle, Reizdifferenzierung, Umschaltprozesse vom 'äußeren' auf den 'inneren' Regelkreis, Veränderung komplexer Wahrnehmungsmodalitäten
Volker Scheid / Robert Prohl: Bewegungslehre. Wiesbaden 2007

Kinästhetische Informationsaufnahme durch Reizrezeptoren in den Gelenken (Gelenkrezeptoren: Ruffini- und Pacini-Körperchen), Sehnen (Golgi-Sehnen-Apparat) und Muskeln (Muskelspindeln) registrieren Winkelstellungen der Gelenke, Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit der Glieder sowie die zur Ausführung der Bewegung oder Erhaltung der Stellung benötigten Kräfte.
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Allerdings ist es dem Sportler in vielen Fällen kaum möglich, die taktilen Informationen von den kinästhetischen zu unterscheiden. Mitunter sind kinästhetische durch gleichzeitig taktile Informationen maskiert., das heißt nur die taktile Empfindung wird bewußt.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Besonders bedeutsam ist die Tatsache, daß die kinästhetischen Informationen wesentlichste Quelle für Raum- und Zeitkomponenten in der menschlichen Wahrnehmung sind. ... Die bei vielen sportlichen Bewegungen so wesentliche Feinabstimmung von Raum- und Zeitparametern (Timing) hat differenzierte kinästhetische Informationen zur Voraussetzung. Diese Informationen sind jedoch in der Regel nicht bewußtseinsfähig, sondern können nur indirekt bewußt gemacht werden.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Bewußte Analyse und Schulung der Bewegungsempfindung: Bedingungen für Üben und Beobachten schaffen, die Bewegungswahrnehmung erleichtern, Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Bewegungsempfindungen lenken, Vorstellung der richtigen Empfindungen vermitteln, Konzentration fördern, Verfeinerung der sensorischen Informationsaufnahme (wichtig: Beobachtung des Lehrenden), Förderung der Verbindung der sensorischen Information mit dem verbalen Zeichensystem (sprachliche Kennzeichnung durch den Lehrenden, verbale Wiedergabe durch den Sportler)
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Die Informationen des kinästhetischen Analysators sind für den motorischen Lernprozeß bedeutsam, und ihre Präzisierung trägt wesentlich zur Beschleunigung des Lernens bei.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Methoden zur Schaffung einer Bewegungsvorstellung: Optische Information, Verbale Information
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Sportler wissen, daß die Feinmotorik nur gut funktioniert, wenn der ganze Körper richtig flexibel und durchlässig ist. Musiker achten meistens nur auf die Finger oder auf den Ansatz.
Martina Liepold: Im Gespräch mit Ulrike Kees - Was eine Geigerin von einem Slalomläufer lernen kann. Sportspezifische Strategien des Mentalen Trainings beim Musizieren. in: Üben und Musizieren. Nr. 3, Mainz 2006

Die Körper- und entsprechend die Bewegungsgefühle sind als unersetzliche Messinstrumente für eine gefühlsmäßig präzise Lage-, Zeit- und Raumorientierung verantwortlich und müssen deshalb im Rahmen einer umfassenden Bewegungserziehung gezielt ausgebildet und im Hinblick auf eine ganzheitlich-intuitive Verhaltens- und Bewegungssteuerung weiterentwickelt werden.
Peter Hirtz, Arturo Hotz, Gudrun Ludwig: Bewegungskompetenzen - Bewegungsgefühl. Schorndorf 2003

Es kann festgestellt werden, daß kinästhetische Grundlagen des Bewegungsgefühls durch geeignete Übungen und Methoden trainierbar sind.
Peter Hirtz, Arturo Hotz, Gudrun Ludwig: Bewegungskompetenzen - Bewegungsgefühl. Schorndorf 2003

Zur Vervollkommnung der kinästhetischen Differenzierungsfähigkeit werden besonders die Krafteinsätze, Gelenkwinkel und Bewegungsgeschwindigkeiten variiert.
Peter Hirtz, Arturo Hotz, Gudrun Ludwig: Bewegungskompetenzen - Bewegungsgefühl. Schorndorf 2003

Methoden des Trainings

Methoden des variierten Übens:
a) Maßnahmen zur Variation der Bewegungsausführung, Veränderung der Ausgangs- und Endstellung, Veränderung der Bewegungsrichtung und -tempos, Variation des Krafteinsatzes Spiegelbildliches, beidseitiges Üben, Üben nach vorgegebenen Rhythmen, Veränderung des Bewegungsumfanges
b) Maßnahmen zur Variation der Übungsbedingungen: Üben unter ungewohnten Bedingungen, Üben nach konditioneller Belastung, Üben unter eingeschränkter optischer Kontrolle, Üben nach Reizung des Vestibularanalysators, Zusätzliche Bewegungsaufgaben während des Übens, Verwenden von Handgeräten, Variation von Entfernungen / Abständen, Variation von Geräten, Veränderung der Stützfläche (Verkleinerung, Neigung, Erhöhung), Üben mit Gegenwirkung durch Partner, Üben unter Zeitdruck
Herrmann Rieder / Klaus Lehnertz: Bewegungslernen und Techniktraining. Schorndorf 1991

Die Auffassung, daß eine vielseitige Bewegungserfahrung gleichzusetzen sei mit „je mehr Verschiedenes desto besser“, ist ein Irrtum. Ohne zeitweilige Schwerpunktsetzungen lernt eine Person zwar viel kennen, lernt (im eigentlichen Sinne des Wortes) aber nichts richtig.
August Neumaier: Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Köln 2001

Instruktion: ausführungsorientierter, bewegungsorientierter, interner Aufmerksamkeitsfokus und effektorientierter, externer Aufmerksamkeitsfokus gleich wirksam.
Heinz Mechling / Jörn Munzert (Hg): Handbuch Bewegungswissenschaft - Bewegungslehre. Schorndorf 2003

Üben ist ein Wiederholen, ohne zu wiederholen!
Nikolai Alexandrowitsch Bernstein: Bewegungsphysiologie. Leipzig 1988

Variationen der Übungen (Variability-of-practice-Hypothese nach Schmidt) in drei unterschiedlichen Übeanordnungen: geblockt (jede einzelne mehrmals hintereinander), seriell (im Kreis) und randomisiert: während der Lernphase ist geblockt am besten, langfristig aber randomisiert.
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Bewegungspräzision: Ein oft zweckmäßiges Übungsverfahren ist die Kontrastmethode. Dabei werden im Wechsel zwei voneinander abweichende räumliche Treffpunkte, Zeitwerte oder andere Kennwerte als Ziel gestellt und im Verlaufe des Übens immer weiter angenähert.
Kurt Meinel / Günter Schnabel: Bewegungslehre. Sportmotorik. Aachen 2007

Bei Anforderungen sowohl an Genauigkeit als auch an Schnelligkeit … sollte alsbald auf Schnelligkeit und Genauigkeit geübt werden. Dabei ist es leichter, einen von Anfang an in dem erforderlichen Tempo geübten Bewegungsablauf nach und nach auf die notwendige Treff- oder Ablaufgenauigkeit zu bringen, als eine zunächst nur langsam geübte, auf hohe Präzision gebrachte Bewegung nachträglich schnell zu machen.
R.N. Singer: Motorisches Lernen und menschliche Leistung. Bad Homburg 1985

Allmähliche Belastungssteigerung: Als methodische Reihenfolge empfiehlt sich dabei zuerst eine Erhöhung der Trainingshäufigkeit (von ein- bis zweimal pro Woche bis täglich), sodann des Trainingsumfanges und schließlich der Trainingsintensität.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

je nach Trainingsreiz kommt es zur einer präzisen Ansteuerung bzw. Belastung eines entsprechenden Muskelfasertyps.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Die Anlage bzw. der prozentuelle Anteil der verschiedenen Muskelfasern ist genetisch festgelegt
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Im Vergleich mit einem Schispringer springt eine Musikerin tatsächlich jeden Tag unzählige Male von der Schanze, bis die Stelle klappt. Über die Belastung, welcher der Körper dadurch ausgesetzt wird, machen sich die meisten keine Gedanken. Ob der Körper überhaupt die grundsätzliche Fähigkeit besitzt, dieser Belastung auf längere Zeit standzuhalten, auch nicht.
Alexandra Türk-Espitalier: Musiker üben - Sportler trainieren ?! in: Üben und Musizieren. Nr. 3 / Mainz 2006

Die Überproportional-Methode ist koordinativen Üben besonders wichtig. Die koordinativen Reize bzw. Anforderungen sollten im Koordinationstraining höher sein als bei der Ausführung der „normalen“ Wettkampf- oder Zielübung.
Peter Hirtz, Arturo Hotz, Gudrun Ludwig: Bewegungskompetenzen - Bewegungsgefühl. Schorndorf 2003

Differenzielles Lernen

Inhaltlich logisch kommt noch erschwerend hinzu, daß zwei wesentliche Charakteristiken von Bewegung zwar seit langem bekannt sind, diese jedoch auf deskriptiver Ebene beschränkt bleiben, um traditionellen Theorien nicht zu widersprechen. Praktische Konsequenzen werden aus den Charakteristiken nicht gezogen. Ein Charakteristikum bezieht sich a) auf die Nichtwiederholbarkeit zweier identischer Bewegungen, das andere b) auf die Individualität von Bewegung.
Wolfgang I. Schöllhorn: Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung - Durch veränderte Annahmen zu neuen Konsequenzen. in: Gabler, Göhner & Schiebl (Hg): Zur Vernetzung von Forschung und Lehre in Biomechanik, Sportmotorik und Trainingswissenschaft. Czwalina. Hamburg 2005

Im differenziellen Lernen variieren wir nicht, um uns geeignete Lösungen zu nähern und ungeeignete Lösungen auszusortieren; vielmehr tasten wir den Lösungsraum im Randbereich ab und öffnen ihn dabei für zukünftiges spontanes Interpolieren. Wir lernen an Unterschieden.
Martin Widmaier: Differenzielles Lernen. in: Üben & Musizieren 3. Mainz 2007

Die Lehrertätigkeit besteht nun darin, die Bewegungsaufgaben derart zu gestalten, daß der Schüler durch Variationen, die innerhalb der Aufgaben möglich sind, situationsabhängig zu seiner optimalen Lösung findet. Das erfordert die eingehende Auseinandersetzung des Lehrers mit der Bewegung, das Abschätzen des möglichen Schwankungsbereiches und die Integration spezifischer Variationen in den Lernprozeß.
Martina Kißmann / Hendrik Beckmann / Maren Michelbrink: Reflexionen über den Einsatz des differenziellen Lehrens und Lernens im Sportunterricht. in: Sportunterricht 58, 2, Schorndorf 2009

... die differenziell trainierende Gruppe zeigt unmittelbar nach der Interventionsmaßnahme signifikant größere Leistungszuwächse als die klassisch trainierende Gruppe. Noch auffallender sind jedoch die Leistungszunahmen nach Beendigung der Intervention, so daß vier trainingsfreie Wochen später 21% des gesamten Leistungsfortschritts erzielt wurden. Im Unterschied hierzu zeigt die klassisch trainierende Gruppe schon zwei Wochen nach Beendigung der vierwöchigen Intervention … einen gedächtnisbedingten Abfall der Leistung auf das urspüngliche Ausgangsniveau.
Wolfgang I. Schöllhorn: Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung - Durch veränderte Annahmen zu neuen Konsequenzen. in: Gabler, Göhner & Schiebl (Hg): Zur Vernetzung von Forschung und Lehre in Biomechanik, Sportmotorik und Trainingswissenschaft. Czwalina. Hamburg 2005

Instrumentale Technik als Ergebnis des Übens ist kein geschlossenes System von Bewegungsabläufen, kein Vorrat fixierter Abläufe, die für die Wiedergabe eines Musikwerks abgerufen und in der durch die Partitur vorgeschriebenen Weise aneinandergesetzt werden, sondern organisierte Offenheit.
Thomas Kabisch: Hans Kellers Functional Analysis und die Voraussetzungen des differenziellen Hörens. in: Musik und Ästhetik 49 (13)

Es geht somit darum, den von der vorigen Übung abweichenden Anteil zu vergrößern und so den Lernerfolg zu steigern. D. h. bei dem Training einer Technik nicht vielfach mit kleinen nicht spürbaren Differenzen zu wiederholen, sondern die Differenzen zu vergrößern und zu optimieren, um effektivere Lernerfolge zu erzielen.
Patrick Hegen / Wolfgang Schöllhorn: Lernen an Unterschieden und nicht durch Wiederholung. Fussballtraining 3/2012, 30-37

Dass auch Erstklässler, die auf unterschiedlichen Unterlagen, in unterschiedlichen Haltungen und mit verschiedenen Stiften Schreiben üben, lernen, schneller, flüssiger und lockerer zu schreiben, unterstreicht die Allgemeingültigkeit des differenziellen Lernansatzes.
Wolfgang Schöllhorn: Erfolg durch Abwechslung, in: Physiopraxis, Fachzeitschrift für Physiotherapie, 06/2011, S. 32-35

Vor dem Hintergrund des im Musikschulalltag mittlerweile nicht selten auftretenden Mangels an musikalischer Vorbildung / Erfahrung vieler Schülerinnen kann der differenzielle Lernansatz auch im musikalischen Lernen verstärkend wirken, gerade im nachträglichen Aufbau der entsprechenden neuronalen Repräsentationen...
Stefan Albrecht: Von Sportlern lernen. Differenzielles Lernen - Impulse für die Musikpädagogik. in: Üben & Musizieren Nr. 5. Schott, Mainz 2009

… it (das Training, Anm. des Hg.) should involve repeated attempts to solve a motor problem by techniques that are changed and perfected from occasion to occasion.
Richard van Emmerik et. al.: Preferred tempo in the learning of a gross cyclical action. in: The Quarterly Journal of Neurology 8, 1989

Der Begriff Fehler impliziert das Wissen um das Richtige, weder das eine noch das andere lässt sich exakt festlegen, ohne eine beträchtliche Toleranzbreite gegenüber den individuellen Ausprägungen motorischer Handlungen einzuräumen.
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Das Prinzip des Interpolierens beschreibt einen Prozeß, der den Bereich zwischen zwei vorhandenen Zuständen (bereits ausgeführten Bewegungen) abschätzt, während unter dem Prinzip des Extrapolierens die näherungsweise Bestimmung von Funktionswerten außerhalb eines Intervalls auf Grund der Kenntnis von Werten innerhalb dieses Intervalls verstanden wird. Auf Grund der Einzigartigkeit einer Bewegung entsteht durch jede Ausführung eine Differenz zu vorangegangenen oder nachfolgenden Realisation. Wird eine Bewegung dreimal durchgeführt, so liegt die dritte Bewegung entweder im Bereich zwischen (Interpolation) oder außerhalb (Extrapolation) der durch die ersten beiden Bewegungen aufgespannten Differenz.
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Neben den herkömmlichen Variationen beinhaltet das Konzept des differenziellen Lernens zusätzlich die gezielte Ausführung von Bewegungsfehlern, um die lernrelevanten Schwankungen zu verstärken.
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Motorisches Lernen ist aus systemdynamischer Sicht als Modifikation der Zustandsdynamik (Verformung des Attraktorlayouts) zu verstehen. Während der Begriff des Neulernens den Unbekanntheitsgrad der Bewegungsaufgabe beschreibt und daher mehr der Zielsetzung des Techniktrainings entspricht, charakterisiert die Bezeichnung des Umlernens akkurater die Veränderung der Potenzialstruktur und ist daher zu bevorzugen. Gerade das Technikerwerbstraining besitzt deshalb destabilisierende Funktion. Je stabiler und ähnlicher, desto größer müssen die Übungsdiffernzen gewählt werden. ... Mit zunehmender Destabilisation der intrinsischen Dynamiken verringert sich der Einfluß alter Bewegungsmuster. Die Übungsdifferenzen können verringert werden.
Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Aachen 2006

Insgesamt stellt das differenzielle Lehren und Lernen einen - auf den ersten Blick und aus der Tradition des Idealen - ungewohnten Ansatz dar, der paradoxerweise durch mehr Unschärfe zu mehr Schärfe zu führen scheint.
Wolfgang I. Schöllhorn: Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung - Durch veränderte Annahmen zu neuen Konsequenzen. in: Gabler, Göhner & Schiebl (Hg): Zur Vernetzung von Forschung und Lehre in Biomechanik, Sportmotorik und Trainingswissenschaft. Czwalina. Hamburg 2005

Schnelligkeitstraining

In zyklischen Sportarten wirkt man dem Entstehen einer "Geschwindigkeitsbarriere" durch variable Schnelligkeitsanforderungen entgegen. Auf keinen Fall darf im Schnelligkeitstraining ständig im Maximalbereich trainiert werden.
August Neumaier: Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Köln 2001

Schnelligkeit oder Genauigkeit sind gleichberechtigt beim Lernen einer komplexen Bewegung.
Heinz Mechling / Jörn Munzert (Hg): Handbuch Bewegungswissenschaft - Bewegungslehre. Schorndorf 2003

Dynamische Stereotypen für schnellstmögliche Bewegungen lassen sich nur mittels Trainingsübungen in höchstmöglicher Geschwindigkeitsausführung ausbilden; das bedeutet andererseits, daß ein Training im submaximalen Geschwindigkeitsbereich die mehr langsam zuckenden Muskelfasern anspricht und auch zu submaximalen Bewegungsmustern (Stereotypen) im Gehirn führt.
Manfred Grosser: Schnelligkeitstraining. München 1991

Da die koordinativen Fähigkeiten und die Technik in Zusammenhang mit der Aktionsschnelligkeit eine so große Rolle spielen, ist es Aufgabe des trainingsmethodischen Vorgehens, den Sportler zu befähigen, sich genau und schnell zu bewegen.
Manfred Grosser: Schnelligkeitstraining. München 1991

Das Training der azyklischen Schnelligkeit geht dem Training der zyklischen Schnelligkeit voraus.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Die längere Anwendung ein und derselben Inhalte, Methoden und Belastungen führt über die Gewöhnung zu einem Bewegungsstereotyp, der die Weiterentwicklung der Geschwindigkeit erschwert oder sogar unmöglich macht.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Die Schnelligkeit sollte schon frühzeitig geschult werden, damit der genetisch begrenzte Raum vor Abschluß der vollständigen Entwicklung des ZNS u.U. erweitert werden kann. Das Kinder- und Jugendtraining ist in allen Trainingsbereichen schnelligkeitsorientiert zu gestalten.
Jürgen Weineck: Optimales Training. Balingen 1997

Die meisten Musiker kennen die Erfahrung, daß ein Stück in einem gewissen Tempo ausgeführt werden kann, eine weitere Steigerung bis zum erforderlichen Maß dann aber, auch durch intensives Üben mit den bislang angewendeten Mitteln, nicht möglich ist. Eine Ursache hierfür ist, daß sich die Bewegung und der Gedankengang auf zu niedrigem Niveau fixieren. Dies geschieht vor allem durch ständiges Wiederholen eines Bewegungsablaufes, ohne daß neue, höhere Ansprüche an Nervensystem und Muskeln gestellt werden.
Renate Klöppel: Schnelligkeit beim Musizieren - Trainierbarkeit und Grenzen. in: Üben und Musizieren. Nr. 6, Mainz 1993

Eine weiter motorische Grundeigenschaft, die Schnelligkeit, steht mit der Maximalkraft in Verbindung. Sie ist unter anderem von ihr abhängig, wird also bei besserem Kraftzustand auch besser.
Alexandra Türk-Espitalier: Musiker üben - Sportler trainieren ?! in: Üben und Musizieren. Nr. 3, Mainz 2006